Добрый вечер!
Heute Morgen war es also soweit – die erste Verabredung auf meiner Liste stand an. Und dafür, dass ich sie als ‚gemeinschaftlichen Nachmittag‘ in meinen Terminkalender eingetragen hatte, nahm sie bereits zu sehr früher Stunde ihren Anfang – genauer gesagt um drei Uhr morgens, denn es galt noch einige letzte Einkäufe für den heimischen Haushalt zu erledigen sowie eine Unterredung mit Lithuania abzuhalten, die die anfallenden Besorgungen für die Tage meiner Abwesenheit betraf, ehe ich letztendlich mit Sack und Pack das Flugzeug besteigen konnte, das mich von Moskau ohne Zwischenlandung geradewegs nach Sacramento bringen sollte. So viele Zeitzonen! Nach einer Weile (spätestens zwischen dem zweiten Bordmenü und dem Verdauungsschnaps) wusste ich schon gar nicht mehr, ob ich mich noch im Heute oder schon längst im Morgen befand, und als ich endlich vor dem Sacramento International Airport stand und ein wenig frische Luft schnappen konnte, war ich zugegebenermaßen doch erleichtert, dass America dort bereits auf mich wartete (mit einem für meinen Geschmack etwas zu ausgebufften Chevrolet Corvette Z03) und ich nicht noch mehr Zeit in dem von Großfamilien, biederen Müttern mit noch biedereren Umgangsformen, in den bizarrsten Tonlagen kreischenden Kleinkindern und vor sich hinorakelnden Rentnern überladenen Gate totschlagen musste. Duty Free-Shops sind etwas Großartiges, doch irgendwann erheitert einen nicht einmal mehr der Anblick von überteuertem Herrenmarzipan, wenn man dieses bereits bei seinen letzten fünf Rundgängen bewundern durfte.
Während wir den Freeway Richtung Beverly Hills hinunterfuhren, die kalifornische Sonne von einem strahlend blauen Himmel auf uns herabschien und ich die Gelegenheit willkommen hieß, ein wenig die Beine baumeln zu lassen (eine Prise frischer Fahrtwind kann nach einem langen, nervenaufreibenden Flug durch diverse Zeitzonen wirklich gut tun. Und America versicherte mir, dass es bei ihm zuhause mehr oder weniger normal sei, während des Autofahrens irgendetwas aus dem Fenster hängen zu lassen, egal ob es nun Füße, ein Hund, eine Waffe oder die geköpfte Leiche des Nachbarn sei), gingen wir gemeinsam Americas Vorschläge für einen stimmungsvollen Nachmittag auf amerikanische Art durch. Bei diesen handelte es sich um 1. eine Stippvisite bei McDonald’s, 2. einen Tag am Strand von Beverly Hills, 3. einen Besuch im Beverly Hills Sea Planet und 4. einen entspannten Nachmittag in seiner Residenz handelte. Nun, was soll ich sagen? Ich liebe Aquarien, und da mein letzter Besuch in einem Aquarium bereits um Jahrzehnte zurückliegt, entschieden wir uns letztendlich dafür, bevor es an den Swimmingpool gehen konnte. Mit dem Wagen waren es von Americas Niederlassung keine zwanzig Minuten bis zu Beverly Hills Sea Planet – und dafür, dass es sich um die größte staatsinterne Ausstellung von marinem Leben aller Art handelt, bewegen sich die Preise auf einem überraschend angenehmen Niveau, auch wenn wir vor dem Eingang erst eine halbe Stunde lang herumdiskutieren mussten, ob ich Americas Einladung nun annehme oder doch selbst bezahle. (Eine Debatte, die America klar für sich entschied. Man mag ja einiges an diesen Amerikanern auszusetzen finden, doch dass es sich bei ihnen um ein Volk handelt, bei dem Großzügigkeit zu den Grundtugenden zählt, kann niemand bestreiten.)
(Einfach ein atemberaubender Ausblick. Ich habe einen der rastlos dort umherziehenden Touristenguides, der gerade keine Gruppe von polaroidbewaffneten Koreanern umherscheuchen musste, gebeten, uns beide vor Americas Lieblingsbecken abzulichten.)
Wie man weiß, bin ich nicht gerade dafür bekannt, vor allem und jedem in Ehrfurcht zu erstarren, das im Landesführer als ‚Sehenswürdigkeit‘ verzeichnet ist, doch bei der Beobachtung all dieses Lebens, das vor unseren staunenden Augen vorbeizog und uns, lediglich getrennt durch eine Scheibe Glas, stolz wie eine einzige große Nation die schillernden Farben der Meere und Ozeane präsentierte, kam ich einfach nicht umhin, America meine Begeisterung auszusprechen. Zwar schienen gerade Gruppenrabbatte wieder sehr in Mode zu sein, denn immer wieder wurden ganze Schwärme von Chinesen, Kanadiern und vor allem Koreanern an uns vorbeigespült, doch da dieses lustige Völkchen den Eineinhalb Meter-Punkt als die äußerste Grenze menschlichen Wachstums zu betrachten scheint und durch meine Gegenwart in dieser Auffassung kompromisslos widerlegt wurde, stellte es uns vor keine sonderlichen Schwierigkeiten, überall bequem durchzukommen und die weit aufgerissenen Augen und Münder mit hübscher Regelmäßigkeit hinter uns zu lassen. Am dringlichsten zog es America zu den Walhaien, während ich persönlich für die Doktorfische die größte Sympathie empfand, da mich ihr Gesichtsausdruck ein wenig an den Estonias erinnerte, den er jedesmal spazieren trägt, wenn man ihm eins mit der Kohlenschaufel überzieht. Die größte Attraktion war und blieb für mich jedoch immer noch der Souvenirshop, in den America mich nach Beendigung unseres Rundganges ohne jede Duldung eines Widerspruchs hineinzerrte. Noch so eine Sache, wofür ich dieses Volk immer wieder bewundere – es hat die Fähigkeit entwickelt, selbst noch aus schierer Sinnlosigkeit Profit herauszuschlagen. Sinnlosigkeit in Form von überteuerten Plüschtieren, überteuerten Touristenmützen mit abstrusen Aufdrucken, die zweifellos nur irgendeiner Late Night-Talkshow entsprungen sein können (ein kleptomanisch grinsender Hai, aus dessen Maul die Worte ‚Beverly Hills Sea Planet – I was there!‘ entwuchsen, ein mit bunten Fähnchen und dem Spruch ‚Let me hold your hand, your hand, your hand, your hand, your hand, your hand, your hand, your hand!‘ ausstaffierter Oktopus und ein aufgepumpter Igelfisch mit einem Korken im Maul), überteuerten Billigpullovern mit noch viel abstruseren Aufdrucken, sowie eine ganze, überteuerte Sammlung sämtlicher im Aquarium lebender Tiefseekreaturen aus einem gummiartigen Material, das ein sehr penetrantes, chemisches Odeur verströmte. Da es den Pullover mit dem Doktorfischmotiv (‚Need a doctor? – Come to Beverly Hills Sea Planet!‘) in meiner Größe nicht gab, verzichtete ich auf unnötige weitere Ausgaben, während America sich standhaft weigerte, den Souvenirshop zu verlassen, ohne vorher mindestens ein Walhai-Plüschtier erstanden zu haben.
Die Stunde, die in sämtlichen alten Westernstreifen als High Noon bezeichnet wird, war angebrochen, und nachdem wir uns noch bei Pik Kahuna Burger einen schnellen Imbiss genehmigt hatten (von McDonald’s hatte ich America glücklicherweise abbringen können), fuhren wir auf direktem Wege zurück zu seiner Bleibe im Herzen von Beverly Hills.
(America bezeichnete es als ’seine bescheidene Hütte‘. Eine bescheidene Hütte mit fünf Schlafzimmern, einem Swimmingpool mit den Ausmaßen eines Bombenschutzkellers, zwei Springbrunnen im Vorgarten und zwei Partykellern, wie ich vielleicht noch anmerken sollte.)
Wirklich ein idyllisches kleines Fleckchen, auch wenn der architektonische Stil nicht ganz meinem Geschmack entsprach. Ich halte mich nicht für den Typ Land, der ohne weiteres den ganzen Tag herumliegen kann wie eine Made im Speck, dazu treibt mich viel zu oft der Drang um, etwas Nutzbringendes zu tun (noch so ein Vermächtnis der Sowjet-Ära), doch da ich diesmal als Privatmann unterwegs war und America darüber hinaus ein ganz vorzügliches Beispiel ablieferte, was man in Beverly Hills an einem warmen, sonnigen Tag tut, wenn ein Schwimmbecken, ein ganzer Kühlschrank mit Drinks und beste Fernsehunterhaltung winken, tat ich es ihm einfach gleich – ich ließ mich auf einer der Liegen nieder, legte die Beine hoch, staffierte mich mit Sonnenbrille und Sonnenmilch aus, ließ mir einen Whisky on the rocks geben und einigte mich mit meinem Gastgeber auf die Jeff Dunham Show. Bauchredner, die mit sich selbst über die derzeitige politische Lage in den vereinigten Staaten streiten, empfand ich schon immer als erheiternd, und da Lästern bei Atommächten ohnehin zum guten Ton gehört, nutzten wir die Gelegenheit, um gemeinsam ein wenig über Mister George W. und Wladimir ‚Putty‘ Putin herzuziehen, während America seine beiden Walhai-Plüschtiere in den Pool warf, um zu testen, ob sie auch wirklich schwimmen konnten. Zum Nachmittag hin kletterten die Temperaturen derartig in die Höhe, dass nun auch wir unsere Badegarderobe herausholen und den Tierchen folgen konnten. Da der traditionelle sowjetische Badeanzug aufgrund der klimatischen Verhältnisse in meiner Heimat jedoch eher zum Rettungstauchen in Eiswasser als zum Verlustieren in einem Swimmingpool zu Sommerbeginn taugt und darüber hinaus mehr den Anschein eines überlangen Nachthemdes aus Neopren als den angemessener Badebekleidung erweckt, borgte mir America kurzerhand eine seiner Badehosen, auch wenn er sich beim Umziehen anfangs beschwerte, meine Haut würde das Sonnenlicht reflektieren (mein Teint ist nun einmal sehr hell. Das Abendessen bei Italia vor einigen Tagen war dieses Jahr das erste Mal, dass ich überhaupt richtig an die Sonne gekommen bin). Im Gegensatz zu mir konnte mein Gastgeber an den kalifornischen Stränden bereits einige Erfahrungen sammeln, was man in und an einem Swimmingpool alles veranstalten kann, und so ließ er es selbstverständlich auch nicht gelten, dass ich eigentlich nur ein wenig am Beckenrand sitzen und die Füße ins Wasser hängen lassen wollte, sondern weihte mich umgehend in die Kunst der Wasserschlacht ein.
Wirklich ein toller Spaß. Wozu braucht man Vollautomatiken und Bomben, wenn man ein mit Wasser gefülltes Becken zur Verfügung hat? So bereitet selbst Kriegsführung gleich ein wenig mehr Vergnügen. Und da Wasserschlachten nicht das einzige waren, was sich in Americas Register für gemeinschaftliche Badenachmittage befindet, war es für uns ein Leichtes, bis weit nach Sonnenuntergang beim Schwimmbecken zu bleiben und dort eine schlaflose Nacht zu verbringen. Ich glaube mich zu erinnern, dass wir zwischen fünf und sechs Uhr morgens noch einmal für eine kleine Spritztour Richtung Stadt losgezogen sind, um am Strand etwas frische Luft zu schnappen, in einigen Klubs vorbei zu schauen und uns mit frischen Getränken auszustatten, denn als ich am späten Mittag in einem der Schlafzimmer im Erdgeschoss zu mir kam, hatte ich meine Schuhe wieder an (allerdings waren sie nicht zugebunden). Wie man sich denken kann, war es in meinem Zustand denkbar unmöglich, ein Flugzeug zu besteigen, und so lud mich America ein, auch gleich noch die nächste Nacht über zu bleiben. Sich zu zweit von den Folgen einer durchfeierten Nacht zu erholen ist bedeutend unterhaltsamer, als wenn man dies alleine zu tun gezwungen ist.
Jetzt, wo ich dies schreibe, sitzen wir gerade bei Kaffee und Bagels im Garten (ja, wieder am Pool, denn America wollte mir noch seinen wasserfesten Fernseher zeigen) und plaudern noch ein wenig über dieses und jenes, bevor es an der Zeit ist, zum Flughafen zurück zu fahren. Der Himmel zeigt sein schönstes Blau, in den Bäumen singen die Vögel, und es ist so warm, dass es nun auch mir zu erfahren vergönnt ist, wie es sich anfühlt, im Schlafanzug zu frühstücken.
Ein schönes Gefühl. So luftig. Man fühlt sich gleich ein wenig freier.
Im Großen und Ganzen würde ich sagen, dass es sich auf jeden Fall gelohnt hat, hierher zu kommen. Dieses Land ist genau die richtige Haltestelle, wenn es Bedürfnisse zu befriedigen gilt, egal von welcher Art diese auch sei mögen. Wir haben für die kommende Woche gleich eine neue Verabredung festgesetzt, schließlich gehört es zum guten Ton, den Gefallen der Gastfreundschaft beizeiten zu erwidern.
… America braucht den Laptop zur Überprüfung seines World of Warcraft-Spielstandes, ich mache wohl besser Schluss. Bis einstweilen, und До скорой встречи!
– RUSSIA
Edit: Vielen Dank für den Doktorfisch-Pullover, America-kun! Er passt mir wie angegossen!
Bis nächste Woche!